Brand, Christine: Vermisst – Der Fall Anna ;
Kriminalroman. – München, 2024. – 539 S.
Christine Brand ist eine Autorin, die in der Schweiz aufgewachsen ist und hat als Redakteurin bei der Neuen Züricher Zeitung und im Fernsehen gearbeitet. Sie verarbeitet in ihren Büchern auch dramatische Fälle aus ihrer Arbeit als Gerichtsreporterin.
Sie hat mit 10 Jahren erlebt, dass in der Schweiz mehrere Kinder verschwanden. Dies hat sie bis heute beschäftigt, auch wenn das Verschwinden häufig in Vergessenheit gerät, für die Angehörigen ist es nie vorbei und sie trauern ein Leben lang, da sie immer weiter hoffen und nicht abschließen können.
Sie hat weitere unabhängig voneinander lesbaren fünf Krimis um Milla Nova und Sandro Bandini veröffentlicht, die sich auch sehr für eine Lektüre lohnen. Eine Autorin, die ich neu entdeckt habe
Das Buch „Vermisst – Der Fall Anna“ ist ein spannender Auftakt einer neuen Reihe um Malou Löwenberg, einer Kommissarin beim Morddezernat. Sie arbeitet neben ihrer Arbeit als Kommissarin als ehrenamtliche Trauerrednerin für Menschen, die keine Angehörigen mehr haben.
Nach so einer Trauerfeier trifft sie sich ich mit einem Mann, den sie auf einer Internetplattform kennengelernt hat. Große Hoffnung auf ein gelungenes Treffen hat sie nicht. Im Gegensatz, sie muss noch verkraften, dass eine ihr sehr liebe Kolleginnen nach einem Tötungsdelikt im Gefängnis ist.
Doch dann ist sie fasziniert von der Lebensgeschichte von Dario. Darios Mutter verschwand spurlos an seinem 5. Geburtstag. Komischerweise erhält er jedes Jahr an seinem Geburtstag eine Karte mit dem Inhalt „Mama hat dich lieb“ und er hofft sein ganzes Leben, dass sie noch lebt.
Malou ist auch deshalb fasziniert von der Geschichte von Dario, da auch sie ihre Eltern, auch ihre Mutter nicht kennt, da sie als Findelkind ausgesetzt wurde, aber von liebevollen Adoptiveltern aufgezogen wurde. Trotzdem hat sie die Frage nach ihrer biologischen Herkunft immer beschäftigt.
Und so fängt sie an zu recherchieren, erst halbherzig und privat, dann immer intensiver und auch offizieller. Sie findet heraus, dass der Fall von Dario kein Einzelfall ist. Es gibt mehrere Frauen, die genau am 5. Geburtstag ihrer Kinder verschwanden und auch hier gab es immer rätselhafte Postkarten, die jeweils am Geburtstag der Kinder mit immer gleichem Inhalt eintreffen. Und die ganze Serie scheint auch noch nicht abgebrochen zu sein …
Der Roman wird jeweils aus der Perspektive von Malou und Dario geschildert. Der Cold Case weitet sich immer weiter aus und Malous Ehrgeiz wird immer stärker geweckt. Doch dabei gerät sie selbst in das Visier eines Serienmörders.
Bei dem ungewöhnlichen vielschichtigen Kriminalroman bleiben sowohl das Motiv und die Identität des Täters lange im Dunkeln.
Ausführlich werden die Situationen der Angehörigen der vermissten Frauen geschildert, wie sie aufgrund des ungewissen Schicksals der Frauen leiden und wie belastend es sein kann, seine Wurzeln nicht zu kennen.
Ein sehr spannender tiefgründiger Kriminalroman, es fließt nicht viel Blut, aber die Schicksale der Familien lässt den Leser nicht unberührt und auch der Schluss ist nicht unbedingt vorhersehbar. Tolles Buch und es macht neugierig auf weitere Cold Case Fälle mit Manou, die beruflich tough ist, privat aber ihre weiche Seite zeigt, Regeln nicht immer ganz ernst nimmt und unbeirrt ihrem Instinkt folgt.
Ach, das ist Familie ?! Vielfalt, Zusammenleben und Aufklärung
(Britta Kiwit, Ill. Emiliy Claire Völker)
2023 Edition Michael Fischer GmbH
Nominiert für den deutschen Kinderbuchpreis 2024
Zur Autorin:
Britta Kiwit kenne ich über Social Media. Bei Tiktok lief sie mir unter dem Namen Avalino das erste Mal über das Display. Auch bei Instagram hat sie einen gut laufenden Account.
Sie machte gesellschaftskritischen Comedy-Content über Gleichberechtigung, alte Vorurteile, Diskriminierung und Erziehung.
Sie stellt dort auch regelmäßig Bücher vor, die diese Themen behandeln.
Besonders die Darstellung von „Herbert“ fand ich faszinierend. Mit Vokuhila, Schnauzbart, Tennissocken und 90er Jahre Trainingsanzug machte er den Eindruck, dass er sehr konservativ ist. Im Laufe des Beitrages merkt man aber, dass er der Liberale ist, der versucht alle Seiten zu beleuchten und sehr Nach- und Umsichtig über die „heutige Jugend“ denkt.
Die vorgestellten Bücher über TikTok und Insta behandeln Themen wie Diversität, Bedürfnisorientierte Erziehung, Inklusion, oder andere Gesellschaftskritische Themen wie ungewollte Schwangerschaften. Zielgruppe sind Erziehende, Fachpersonen und alle, die sich gern über Themen der Gesellschaft informieren und austauschen wollen.
Mit ihrem Startup Unternehmen „Avalino“ setzt sie sich für mehr Vielfalt und Diversität im Kinderzimmer ein und möchte die Welt dadurch ein kleines bisschen Gerechter machen. Sie vertreibt Affirmationskarten zu verschiedenen Themen, Postkarten in Braille-Schrift und Shirts die an den Charakter „Herbert“ aus ihren Videos erinnert.
Das zweite Buch ist schon in Planung und wird um das Thema Essen handeln und eine der Hauptcharaktere ist ein Axolotl. Das wurde übrigens beides auf Social Media von den Followern abgestimmt. Auch um welche Gerichte es geht, stand zur Auswahl.
Heute stelle ich Ihnen allerdings ihr erstes Buch vor. In diesem Buch ist kein Axolotl zu finden, allerdings ein kleines Chamäleon, das sich versteckt hat.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich dieses Buch wirklich als Bilderbuch einstufen kann. Es hat so viele interessante Informationen zu bieten. Auf jeder Seite sind kurze Geschichten als „Rahmenerzählung“ die einiges Erklären, dazu dann noch „Sprechblasen“ wo die gezeigten Charaktere sich zum Thema unterhalten.
Erklärt wird unter anderem:
Warum sind wir so unterschiedlich – manchmal sehen die Kinder nicht aus wie die Eltern. Woran liegt das?
Was ist Familie und was macht sie aus?
Dabei liegt der Focus nicht auf der klassischen Kernfamilie mit Mutter Vater und Kindern, sondern einfach auf die Personen, die sich dazu entschieden haben, wie eine Familie füreinander da zu sein.
Das können Patchworkfamilien sein, Regenbogenfamilien (die übrigens so heißen, weil die Menschen so unterschiedlich wie die Farben eines Regenbogens sind – eine schöne Vorstellung wie ich finde), Familien mit nur einem Elternteil, Ersatzfamilien wie eine Wohngruppe oder Pflegefamilie für Kinder, die nicht mehr in ihrer Herkunftsfamilie bleiben konnten. Letztlich auch Großeltern, Paten oder Freunde die zeitweise oder ganz für die Kinder da sind können auch Familie sein.
Wie und wo wohnen Familien?
Was ist Liebe? Und muss man immer heiraten? Was sind Queere Familien? (Familien wo beide Elternteile das selbe Geschlecht haben, oder wo ein Elternteil oder beide Transpersonen sind – hier sind wir wieder bei der Vielfalt des Regenbogens)
Was ist wenn ein Mensch mehr als eine Person liebt?
Was ist, wenn die Eltern sich trennen? Wer wohnt bei wem und wo überhaupt? Hier werden auch verschiedene Modelle der „Kinderaufteilung“ erklärt, z.B. das Wechselmodell wo das Kind für eine gewisse Zeit bei dem einen Elternteil lebt und für den gleichen Zeitraum später bei dem anderen. Oder das Nestmodell, wo das Kind in einer Wohnung lebt und die Eltern für eine gewisse Zeit dort „einziehen“.
Nachdem die Grundfrage nach „Familie“ geklärt ist, geht es auch darum, wie ein Kind in eine Familie kommen kann: Hier sind nicht nur sehr kindgerechte Bilder zu finden, sondern auch die Erklärung von einer Sexualtherapeutin, wie man das dem Kind gut vermitteln kann. Besprochen wird hier nicht nur die verschiedenen Arten der Geburt, sondern auch Leihmutterschaft und Adoption.
Auch das Thema psychische Krankheiten in der Familie oder Tod wird angesprochen.
Natürlich dürfen auch die Tipps von Experten nicht fehlen. Die sind aber zum Glück kurz und knapp, so dass es nicht in Arbeit ausartet.
Die Illustrationen sind einfach, kindgerecht und durch den schlichten Hintergrund auch sehr unaufgeregt und präsent.
Bei der Auswahl der Personen hat die Autorin darauf geachtet möglichst divers zu bleiben. So sind tätowierte Papas, Trans- und nicht-binäre Personen, Rollstuhlfahrende, Kinder mit Augenpflaster, Menschen mit und ohne Haaren, verschiedene Hautfarben (hier übrigens auch Menschen mit Vitiligo – einer Pigmentstörung) und auch verschiedene Religionen und kultureller Hintergründe zu finden. Auch mit typischen Geschlechterrollen wird bewusst gebrochen.
Alles in Allem ein Familienbuch für wirklich jede Lebenslage, das zu offenen Gesprächen oder zum Vorlesen eines bestimmten Parts oder des kompletten Buches einlädt – je nach Kinderfragen und Alter.
Und am Ende bleibt eine Frage offen: Wie viele Chamäleons sind denn jetzt im Buch zu finden?